Eine Straßenbahn für Groß-Enzersdorf

Steckbrief

Es gab sie mal, die Straßenbahn, den 317er von Floridsdorf bis nach Groß-Enzersdorf. In den 70er Jahren wich die Straßenbahn den Ideologien der Vollmotorisierung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Der gesamte öffentliche Raum wurde dem Autoverkehr untergeordnet. Alte Ortskerne wurden von Durchzugsstraßen durchtrennt. Die Gleise wurden nach und nach entfernt. Heute erfüllt der Bus 26A größtenteils die Verkehrsfunktion der alten Straßenbahn.

Transportkapazität

Die neuen Flexity-Garnituren der Wiener Linien fassen 211 Fahrgäste pro Zug. Bei einem Intervall von fünf Minuten beträgt die Transportkapazität der Straßenbahn 2.532 Personen pro Stunde. Bei einer Intervallverdichtung auf zwei Minuten zur Stoßzeit sogar 6.330 Personen pro Stunde.

Zum Vergleich: Verkehrszählungen messen an der Esslinger Hauptstraße derzeit zu Spitzenzeiten knapp 800 Fahrzeuge pro Stunde [Snizek & Partner]. Das wäre bei einem Besetzungsgrad von statistischen 1,2 Personen pro Fahrzeug eine Transportkapazität von 960 Personen pro Stunde.

Derzeitige Straßenbahnen könnten also zu Spitzenzeiten 6,5 mal so viele Personen wie die derzeitige Straße transportieren. Selbst wenn man die Esslinger Hauptstraße dreispurig pro Richtung ausbauen würde, hätte die Straßenbahn noch immer eine um den Faktor 2,1 größere Transportkapazität. Wenn man bedenkt, dass es auch Straßenbahngarnituren mit deutlich mehr Kapazität am Markt gibt, erübrigt sich jede weitere Überlegung zur Effizienzdebatte. Die Straßenbahn im belgischen Antwerpen fasst 427 Personen pro Zug, transportiert also bis zu 12.810 Personen pro Stunde. Das zeigt eindrucksvoll, wie wesentlich eine potente Straßenbahnlinie die Straße und somit die AnrainerInnen und BürgerInnen entlasten könnte, ohne Milliarden in Umfahrungsstraßen zu investieren.

Weiter gedacht

Seit 1999 ist das gesamte Verkehrsaufkommen in der Ostregion um sagenhafte 714 Prozent gestiegen (Stand 2015). Eine Folge der massiven Zersiedelung unserer Region, befeuert durch Straßenbau. Das Ziel sollte also weniger sein, die nostalgischen Gefühle des 317ers wieder entflammen zu lassen, sondern eine überregionale qualitativ hochwertige Verkehrslösung für den Raum Wien, Groß-Enzersdorf und darüber hinaus bis nach Hainburg zu entwerfen.

Eine überregionale Schnell-Straßenbahn befriedigt dieses Bedürfnis mit Leichtigkeit. Sie erleichtert nicht nur tausenden von PendlerInnen das Leben, sondern eröffnet auch nachhaltig die Möglichkeit, bisher nur von Fahrzeugen genutzten Straßenraum neu zu verteilen, die Ortskerne wieder zu beleben und lokale Infrastruktur zu schaffen, anstatt noch mehr Einzelhandelsflächen auf die grüne Wiese zu stellen. Dies würde auch dazu führen, dass viele Menschen wieder weniger auf das Auto angewiesen sind. Wenn der Einkauf fußläufig erledigt werden kann, werden große Einkäufe mit dem Auto überflüssig.

„Die Straßenbahn hat uns einen Park gebracht“

Das ist eine oft gehörte Aussage der Bürger französischer Städte. Dort, wo Verkehrsraum durch platzeffiziente Straßenbahnen frei wird, können Wiesen zwischen den Häusern entstehen, Bäume gepflanzt werden und die Temperatur im Straßenraum deutlich gesenkt werden.

Daniel Pernold

Foto: (c)Harald A. Jahn, Viennaslide
Grafik: https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008495.pdf